
„Tugend? Was ist das denn?“
Geht man zu irgendeiner Grundschule und befragt die Kinder danach, wird man vor allem auf fragende Gesichter stoßen. An unserer Schule ändert sich das gerade. Denn auf vielfältige Weise wird den Kindern nach und nach bewusst, dass Tugenden wundervolle hilfreiche Kräfte sind, die wir alle in uns tragen – Kräfte, die das Leben erleichtern, verschönern, vertiefen und das Zusammenleben verbessern.
Durch die Entfaltung des Tugend-Potenzials werden das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl sowie die emotionale und soziale Intelligenz gefördert. Auch die Arbeitshaltung und das Lernverhalten werden positiv beeinflusst.
Greifbar werden die Tugenden für die Kinder unserer Schule vor allem durch die Tugend-Karten, mit denen alle Klassen ausgestattet wurden. Es gibt verschiedene Kartensätze. Sehr beliebt bei den Kindern sind die „Liebenswerten Meerestiere“: www.andrea-kube.de/liebenswerte-meerestiere. 24 Karten und ein Poster veranschaulichen durch schöne Bilder und eingängige Texte Tugenden, die für ein erfreuliches Zusammenleben und erfolgreiches Lernen besonders wichtig sind: Aufrichtigkeit, Ausdauer, Begeisterung, Behutsamkeit, Dankbarkeit, Flexibilität, Freundschaft, Friedlichkeit, Fürsorge, Geduld, Gelassenheit, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Humor, Kreativität, Mitgefühl, Mut, Ordentlichkeit, Rücksicht, Verzeihen, Zielstrebigkeit, Zusammenarbeit und Zuverlässigkeit.
In manchen Klassen wird aus dem Kartensatz die „Tugend der Woche“ oder die „Tugend des Tages“ gezogen – eine sehr gute Möglichkeit, jeweils eine Tugend in den Blick zu nehmen und zu aktivieren, indem sie bewusst wahrgenommen, vermehrt praktiziert und häufig erlebt wird. Am Ende der Woche oder des Tages kann in der Klassengemeinschaft reflektiert werden, wo sich die Tugend gezeigt hat, warum sie hilfreich war, wann sie hilfreich gewesen wäre… Gegenseitig kann Anerkennung gegeben werden, z.B.: „Ich habe bei Fritz Aufrichtigkeit gesehen, als er sofort zugegeben hat, dass er den Becher umgestoßen hat.“ Das ermutigt die Kinder, auch in zukünftigen Situationen, die vielleicht noch herausfordernder sind, Aufrichtigkeit zu zeigen.
Auf vielfältige Weise haben die Tugenden in das Schulleben Einzug gehalten. Wie das TugendProjekt an die Schule kam und was sich schon in wenigen Monaten bis zu den Sommerferien 2013 an der Schule getan hat, kann hier nachgelesen werden: www.tugendprojekt.de/downloads/evaluationsbericht-bildung-nachhaltige-entwick.pdf. Entscheidende Inspirationen, Ideen und Impulse kamen und kommen vom TugendProjekt e.V., der seinen Sitz in Königswinter hat: www.tugendprojekt.de. Dieser Verein geht zurück auf das 1991 von Linda Kavelin Popov, ihrem Mann Dan und ihrem Bruder John Kavelin in Kanada gegründete Virtues ProjectTM: www.virtuesproject.com. Als Psychotherapeuten arbeiteten die Popovs im Bereich der Charakterbildung und des Sozialtrainings in Schulen, bei Kinder- und Jugendhilfeprogrammen. Während des „Internationalen Jahres der Familie“ (1994) ehrten die Vereinten Nationen das Virtues Project™ als vorbildhaftes Modell-Projekt für Familien aller Kulturen.
In ihrer Arbeit mit sozial auffälligen Kindern und Jugendlichen war den Popovs aufgefallen, dass hinter rücksichtslosem und aggressivem Verhalten oft ein ganz geringes Selbstwertgefühl, ein mangelndes Bewusstsein von sich selbst und den Werten des Lebens und eine daraus resultierende Gleichgültigkeit stecken.
Echte Selbstachtung, die bewirkt, dass ich auch andere und anderes achte, entsteht mit einem guten Charakter. Die Tugenden bilden den Kern des Charakters. Schenkt man Anerkennung, Anleitung und Hilfestellung mit der Sprache der Tugenden, erfahren die Kinder, dass sie alle notwendigen Kräfte in sich tragen und dass sie wertvolle Menschen sind, die ihr Bestes geben können.
Anregung für Eltern, Erzieher(innen), Lehrer(innen) und andere Menschen:
Nutzen Sie jede Gelegenheit, eine gezeigte Tugend auch zu benennen, z.B.: „Du hast viel Mut und Vertrauen gezeigt, dieses Problem offen anzusprechen. Danke!“ oder „Du zeigst viel Entschlossenheit, wenn Du die schwierigen Aufgaben in Mathe unbedingt verstehen möchtest und ich es Dir nochmal erklären soll.“ oder „Vielen Dank für Deinen Einsatz und Deine Geduld!“